HANNIBAL (UA)

16. September 2021

BÜHNENBILD:
HANNIBAL – DEUTSCHES NATIONALTHEATER WEIMAR

Uraufführung am 30. September 2021

von Dirk Laucke

Regie: Sebastian Martin
Bühnenbild: Alexander Grüner
Kostümbild: Andrea Wöllner
Videodesign: Bastian Klügel
Dramaturgie: Carsten Weber

 

2017 gab sich der Bundeswehroffizier Franco A. als syrischer Geflüchteter aus. Sein Plan, mit der gefälschten Identität in Deutschland Anschläge zu verüben und so rassistische Ressentiments zu schüren, wurde durch seine Festnahme verhindert. Wenig später wird bekannt, dass der Offizier in ein Netzwerk eingebunden war, dessen Gründer sich im Internet Hannibal nennt. In diesem Netzwerk organisieren sich u.a. Soldat*innen, SEK-Beamt*innen, Richter*innen und weitere Mitglieder deutscher Sicherheitsorgane, die sich auf den sogenannten Tag X vorbereiten, den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Deutschland. Bis heute reißen die Diskussionen über rechtsextreme Umtriebe innerhalb der militärischen Spezialeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) nicht ab. 2020 zählte der Militärische Abschirmdienst 50 rechtsextremistische Verdachtsfälle. 2021 soll der Prozess gegen Franco A. wegen Terrorverdacht beginnen.

Ausgehend von dieser realen Figur unserer Gegenwart überschreibt der Dramatiker Dirk Laucke den Roman »Ein Kind unserer Zeit« von Ödön von Horváth aus dem Jahr 1938. Darin wird die Entwicklung eines jungen Mannes geschildert, der sich, enttäuscht von seiner Familie und voller Neid auf das Glück anderer, der völkisch-rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten verschreibt. Im Zentrum von Lauckes Text steht Rico, selbst KSK-Soldat, der sich im Glauben, »Großes« für sein Land zu leisten, in rechtsextremistische Verschwörungsmythen verrennt. Dass in der Truppe die soziale Herkunft keine Rolle spielt, dass jeder nur nach seiner Leistung beurteilt wird, ist dem jungen Mann wichtig. Für ihn bedeutet die Karriere in der Bundeswehr den Schritt raus aus dem Milieu seiner Eltern und zugleich einen sinnstiftenden Dienst am Vaterland. Unterdessen stellt sich heraus, dass innerhalb der Einheit Gedankengut kursiert, das von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, auf die die Soldaten einen Eid geschworen haben, deutlich abweicht. Allen voran glaubt Hauptfeldwebel Schmitt an einen bevorstehenden Bürgerkrieg, an eine »Invasion der Ölaugen«, wie er sagt und dass man sich auf den Moment vorbereiten müsse, die Geschicke des Landes selbst in die Hand zu nehmen. Rico scheint endlich seinen Platz gefunden zu haben.

Der Regisseur Sebastian Martin setzte sich bereits in seiner Überschreibung von Kleists »Michael Kohlhaas« am DNT mit der Gefahr durch Rechtsextremismus auseinander. Die Beschäftigung mit diesem Themenkomplex führt er mit der Uraufführung von Dirk Lauckes »Hannibal« nun fort. Mit dem Dramatiker, dessen Monolog »Ich liebe dir« hier in der Spielzeit 2020/2021 uraufgeführt wurde, verbindet das DNT eine kontinuierliche Zusammenarbeit »Hannibal« wird im Rahmen einer Doppelpremiere am Theater Freiburg von Bojana Lazić zur Aufführung gebracht.

Die Inszenierung ist eins von achtzehn Vorhaben, mit denen im Rahmen des dezentralen und interdisziplinären Projekts »Kein Schlussstrich!« die Taten und Hintergründe des NSU künstlerisch thematisiert werden sollen. Beteiligt sind neben dem DNT WEIMAR siebzehn Partner in fünfzehn Städten.
https://kein-schlussstrich.de
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(Text: DNT; Fotos: Candy Welz)